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30. April 2010

„Letztendlich rennen wir dem Tod davon“

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Warum Innehalten so schwer fällt und wie man es trotzdem schafft, verriet Zeitforscher Professor Peter Heintel beim C2 Themenabend am 21. April 2010. Gut investierte Zeit, befanden 140 Führungskräfte am Ende und bewiesen Mut zum leeren Blatt und zum gezogenen Stecker.

STUTTGART -  Alles wird schneller und konzentrierter, vor allem im Geschäftsleben. Viele wollen die Beschleunigung stoppen, weil sie müde und erschöpft sind und ahnen, dass es noch andere Lösungen geben müsse. Auch die Berater der Stuttgarter C2 Organisationsberatung treibt die Frage nach dem Umgang mit der Zeit um. „Bei Veränderungsprozessen stoßen wir ständig auf das Zeitthema“, sagt C2 Partnerin Christina Wittmer. Gerade turbulente Zeiten hätten eine starke Eigendynamik, Hektik und Aktionismus seien an der Tagesordnung. Auf der anderen Seite gebe es Gegenbewegungen wie Slow Food und Vordenker wie Philosophieprofessor Peter Heintel, der bereits 1990 den Verein zur Verzögerung der Zeit gründete. Von ihm erhofften sich Veranstalter und Gäste Denkimpulse für eine Entschleunigung – und wurden nicht enttäuscht.

„Wer Lösungen sucht, muss sich die Gründe für die Beschleunigung anschauen“, sagt Heintel. Der Zeitforscher tat es und fand ökonomische und technische aber auch biologische und metaphysische Ursachen. Letztere hält er für zentral. „Letztendlich rennen wir dem Tod davon“, heißt seine These. Seit der Glaube ans Jenseits verloren ging, versuchten wir „das Leben als einzige Gelegenheit“ maximal zu nutzen. „Dabei verwechseln viele erfüllt mit voll gefüllt und hetzen von einer Aktivität zu nächsten“, weiß Heintel. Indem sie Zeitverdichtungen in Kauf nehmen, lenke sich der Mensch von seiner Endlichkeit ab. Wie das funktioniert, veranschaulichte der C2 Referent mit einer Story aus New York. Am dortigen Flughafen beklagten sich Ende der 1980er Jahre viele Passagiere über das lange Warten am Gepäckband. Also stellte man die Logistik um und ließ die Fluggäste möglichst fern des Gepäckbandes aussteigen. Der weite Weg verkürzte die Wartezeit und „alle waren zufrieden, denn gehen ist einfacher als warten“, so Heintel.
Zur Beschleunigung hat die moderne Technik ihren Teil beigetragen. E-Mails, die sofort beantwort werden wollen, und Handys, die ständige Erreichbarkeit suggerieren, führen automatisch zu mehr Hektik, jedoch nicht zu schnelleren Ergebnissen. Heintel erinnerte an Vor-Handy-Zeiten. Damals habe man in Besprechungspausen weiter geredet, heute renne jeder in eine Ecke und telefoniere. Nach der Pause  müssten die Teilnehmer wieder neu anfangen. „Das kostet Zeit, die an anderer Stelle vermeintlich eingespart wurde“, macht der Zeitforscher deutlich.

Neben der Technik macht Heintel die Ökonomie verantwortlich für die Hetzerei.  Betriebswirtschaftlich sei es natürlich sinnvoll, wenn in der gleichen Zeit mehr produziert wird. Doch der Anspruch, immer Neues und Besseres in immer kürzeren Zeitabständen zu produzieren, lasse sich nicht unendlich steigern. „In den vergangenen Jahren haben wir eine Verdichtung von 25 Prozent auf 150 Prozent erfahren“, weiß er.  Mit dem Ergebnis, dass das Klima in den Unternehmen rauer und der Leistungs- und Zeitdruck enorm wurde. Erfolgreich, so Heintel, seien heute Führungskräfte, die Druck herausnehmen. Auch die Organisationszeiten vieler Firmen hält er für problematisch, weil sie den Biorhythmus des Menschen vielfach ignorierten.

Heintels Zeitmodell will aber auch die psychologische und die  soziologische Facette der Zeit berücksichtigt wissen: Emotionen hätten ebenso ihre Zeit, wie jede Konfliktlösung Zeit brauche. Für besonders wichtig hält er Feste und Feiertage. Die seien der modernen Industriegesellschaft beinahe komplett abhanden gekommen, bedauert er. Doch gemeinsame Zeiten zum Feiern seien für das Wohlergehen des einzelnen, der Organisation und der Gesellschaft wichtig und müssten heute erst wieder mühsam gesucht werden. Den Zuhörern rät er, Zeit nicht eindimensional physikalisch-technisch zu betrachten, sondern im Alltag alle genannten Perspektiven auszubalancieren und zu versuchen jeder gerecht zu werden.

Im Anschluss an den facettenreichen wie unterhaltsamen Vortrag lud C2 Partner Jürgen Berger ein, sich in Gruppen auszutauschen und gemeinsam ein Bild vom Innehalten zu entwerfen. In den angeregten Diskussionen wurde schnell klar, dass jeder sich nach Innehalten sehnt, oft jedoch der Mut dazu fehlt. Doch die Ergebnisse zeigten, dass die Zuhörer viel mitgenommen hatten: Parkbuchten im Strom der Zeit, der gezogene Stecker am Computer mit der Kaffeetasse daneben, Uhren, die verflossene Zeit symbolisieren, oder gar die Gruppe mit dem leeren Blatt: Ergebnis des Innehaltens.

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Zu C2 OrganisationsBeratung

Die C2 OrganisationsBeratung mit Sitz in Stuttgart gestaltet Veränderungsprozesse. Beratungsschwerpunkte sind Strategische Unternehmensführung, Optimierung von Geschäftsprozessen, Projektmanagement, Team- und Bereichsentwicklung sowie Personal- und Führungskräfteentwicklung. Die Gesellschaft wurde 1999 gegründet und hat zahlreiche Veränderungsprozesse mit bis zu 9000 Beteiligten bei Firmen wie DaimlerChrysler, MTU, Bosch, Caritasverband und Deutsche Post mitgestaltet. Die C2 Themenabende finden seit 2002 jährlich statt und sollen Führungskräften mit unerwarteten Referenten neue Ansätze für altbekannte Fragestellungen anbieten. In den vergangenen Jahren eröffneten unter anderem ein FIFA-Schiedsrichter, ein Benedektinerpater und ein Umweltwissenschaftler ungewöhnliche Sichtweisen auf Alltagsaufgaben von Führungskräften.

www.C2-beratung.de

 

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